Die Selbstentäußerung

Ein Geheimnis (griech. mysterion) umgibt diesen Jesus von Nazareth. Wer war er – ein Mensch mit besonderen Begabungen und Überzeugungen? Oder sollte man besser fragen: Wer ist er – der durch die Auferstehung den Tod überwunden hat und als Mensch in die Gegenwart Gottes tritt?

Apostel Paulus spricht von einem göttlichem Geheimnis, das in Christus verborgen ist und das es zu erkennen gilt:

    Dadurch sollen sie (die Gläubigen) getröstet werden; sie sollen in Liebe zusammenhalten, um die tiefe und reiche Einsicht zu erlangen und das göttliche Mysterium zu erkennen, das Christus ist. 3 In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen.
    (Kol 2,2.3)

Ein Geheimnis hat eben die Eigenschaft, dass man es nicht als solches erkennt oder versteht, wenn man ihm begegnet. Bei Jesus war das ebenso, viele haben sich über ihn gewundert, manche haben ihn für verrückt erklärt. Er lebte als Mensch unter Menschen, ohne äußerlichen Unterschied. Die Evangelien berichten daher recht wenig über sein Leben, bevor er nach der Geistessalbung am Jordan öffentlich auftrat, die Botschaft vom Reich Gottes verkündete und Heilungen vollbrachte. Im Brief an die Philipper beschreibt Paulus dieses Geheimnis durch das Zitat eines urchristlichen Liedes oder Hymnus.

    Er war Gott gleich, /
    hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
    7
    sondern er entäußerte sich /
    und wurde wie ein Sklave /
    und den Menschen gleich. /
    Sein Leben war das eines Menschen;
    (Phil 2,6.7)

Dieser Hymnus beschreibt die Selbstentäußerung Gottes, der als Mensch nicht nur erschienen ist, sondern das Menschliche angenommen hat. Dieses Mysterium der Verbindung von Gott und Mensch wird in der Thora angedeutet, als Gott dem Mose im brennenden Dornbusch begegnete:

    Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. 2 Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. 3 Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?
    (Exo 3,1-3)

Der Dornbusch, der brannte und doch nicht verbrannte, ist ein Schattenbild für die Verbindung von göttlichem (abgebildet in den Eigenschaften von Feuer, Licht usw.) und menschlichem (abgebildet durch das vergängliche Holz). Dies ist das Geheimnis, welches in Jesus Christus verborgen ist: Die Annahme der Menschheit in Gott.

    Wahrhaftig, das Geheimnis unseres Glaubens ist groß:
    Er wurde offenbart im Fleisch, /
    gerechtfertigt durch den Geist, geschaut von den Engeln, /
    verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt, /
    aufgenommen in die Herrlichkeit.
    (1.Tim 3,16)

Der Mensch sieht zuerst nur eine äußere Hülle, so wie wir eben dazu neigen, alles zuerst mal nach dem Äußerlichen zu beurteilen – das liegt in unserer Natur. Das Göttliche tritt uns nicht in seinem ganzen Wesen gegenüber – wir könnten es nicht ertragen. Schon die Propheten des Alten Testamentes konnten es kaum ertragen, die Herrlichkeit des HErrn zu schauen. Gott begegnet uns Menschen immer verhüllt, durch Erscheinung von Engeln oder durch Seine Herrlichkeit, nun aber auch in der Hülle des menschlichen Fleisches, denn in Jesus wohnte die Fülle der Gottheit leibhaftig:

    Gebt Acht, dass euch niemand mit seiner Philosophie und falschen Lehre verführt, die sich nur auf menschliche Überlieferung stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen. 9 Denn in ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes.
    (Kol 2,8.9)

Die Selbstentäußerung Gottes ist wesentlicher Teil dieses Mysteriums der Menschwerdung. Das griechische Wort hierfür ist 'Kenose', d.h. trotz höherer Erkenntnis und Begabung niedrigere Dienste zu leisten. Der bereits erwähnte Hymnus über die 'Selbstentäußerung Gottes' wird mit den Worten eingeleitet:

    Seid untereinander so gesinnt,
    wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.
    (Phil 2,5)

Jesus verweist darauf, dass die Mächtigen dieser Welt all zu oft ihre Macht missbrauchen, anstatt den ihnen Anvertrauten zu dienen. Es gibt ja den Spruch: „Geld (oder Macht) verdirbt den Chrarakter“, es ist aber wohl eher so, dass Geld (oder Macht) erst den wahren Charakter zum Vorschein bringen. Und Jesus gibt eine klare Anweisung, wie es unter denen sein soll, welche in seinen Dienst treten wollen:

    Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. 26 Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, 27 und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. 28 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
    (Mat 20,25-28)

Diese unmissverständliche Anweisung gilt bis heute für alle Christen, vor allem aber für jene, welche in der Kirche einen Dienst verrichten, seien es Diakone, Priester oder Engel (Bischöfe). Und jeder, der ein kirchliches Amt bekleidet und Verantwortung übernimmt, muss zu dieser Selbstentäußerung bereit sein. Für die gesalbten Häupter der Christenheit, für die Könige und Kaiser von Gottes Gnaden, welche durch die Revolutionen ihre Macht verloren haben, gilt (bzw. galt) diese Anweisung von Jesus ebenso. Die Geschichte der Kirche ist leider auch eine Geschichte des menschlichen Versagens, wobei den gesalbten Häuptern, ob weltlich oder geistlich, eine besondere Verantwortung zukommt – es wurde viel 'geherrscht', aber wenig gedient. Die 'christlichen' Könige haben ihre Macht verloren, die Bischöfe haben auch ihr Macht, die sie vor 200 Jahren noch hatten, verloren.

Jesus Christus hat uns ein vollkommenes Vorbild gegeben, wie ein 'Christ', also ein 'Gesalbter' zu leben hat, nämlich die Liebesgebote zu halten, und dass alle, welche in seine Nachfolge treten wollen, sich auch selbst entäußern müssen, d.h. durch den Dienst sowohl Verantwortung für andere zu übernehmen als auch den anderen zu dienen. Jesus hat uns allen gedient, vor allem in dem er, der ohne Sünde war, die Folge der Sünde, den Tod, auf sich genommen hat. Und gestorben ist er durch die Hand derer, zu deren Heil er gekommen war.

    Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und die Freilassung eines Mörders gefordert. 15 Den Urheber des Lebens habt ihr getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dafür sind wir Zeugen. 16 Und weil er an seinen Namen geglaubt hat, hat dieser Name den Mann hier, den ihr seht und kennt, zu Kräften gebracht; der Glaube, der durch ihn kommt, hat ihm vor euer aller Augen die volle Gesundheit geschenkt. 17 Nun, Brüder, ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt, ebenso wie eure Führer. 18 Gott aber hat auf diese Weise erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten im voraus verkündigt hat: dass sein Messias leiden werde. 19 Also kehrt um und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden 20 und der Herr Zeiten des Aufatmens kommen lässt und Jesus sendet als den für euch bestimmten Messias.
    (Apg 3,14-20)

 

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