Nachahmung und Nachfolge

Apostel Paulus fordert uns im Brief an die Epheser auf, Gott nachzuahmen:

    Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder, und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt.
    (Eph 5,1.2)

Was aber bedeutet es, Gott nachzuahmen? Hier hilft uns das jüdische Verständnis - darum einige Auszüge aus dem Buch 'Ein Rabbi spricht mit Jesus' von Jacob Neusser:

    Denn im Alltagsleben nach der Thora bedeutet der Sabbat Höhepunkt und Erfüllung. Des Sabbats gedenken und ihn heilig halten war damals und ist heute, was das ewige Israel gemeinschaftlich tut. Dieser Tag macht das ewige Israel zu dem, was es ist, zu dem Volk, das sich wie Gott nach der Schöpfung am siebten Tage von seiner Schöpfung ausruht. Der Sabbat hat einen positiven und einen negativen Aspekt. Am Sabbat dürfen wir keine niederen Arbeiten verrichten, denn an diesem Tag feiern wir die Schöpfung. Sechs Tage stellen wir Dinge her, am siebten würdigen wir sie. ....

    Denn am Sabbat nicht zu arbeiten bedeutet mehr, als ein Ritual peinlich genau zu erfüllen. Es ist eine Art Nachahmung Gottes. Gott ruhte am siebten Tag und erklärte ihn für heilig. (Genesis 2,1-4) Und dies sagt uns, warum wir, das ewige Israel, am Sabbat ruhen, ihn genießen und als heiligen Tag begehen. Wir tun am siebten Tag, was Gott am siebten Tag der Schöpfung getan hat. ....

    Aber eines der Zehn Gebote lautet: »Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! ...Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und ein Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.« Wenn wir uns nun bewußt sind, daß wir den Sabbat halten sollen, weil Gott am Sabbat geruht hat, dann sehen wir, daß wir dieses Gebot befolgen sollen, damit wir Gott ähnlich werden. ....

    Sein wie Gott bedeutet die Gnade und Barmherzigkeit Gottes nachahmen: Dadurch wird Gott zu dem, was er ist, und mit beidem können wir uns Gott gleich machen. Wie Gott sein bedeutet folglich sehr menschlich sein, aber menschlich auf ganz besondere Weise: Schließlich gibt uns Gottes Gnade die Kraft, barmherzig und gnädig zu sein, seine Gnade, aber auch sein Vorbild. ...

    Um heilig zu sein wie Gott, muß ich folglich die Nackten kleiden, die Kranken besuchen, die Trauernden trösten und die Toten begraben: »Meinen Nächsten lieben wie mich selbst«. Auch dies sind sehr menschliche, liebevolle Züge. Nicht umsonst heißt es in der Thora, wir seien geschaffen nach Gottes Ebenbild:

    »Gott schuf also den Menschen nach seinem Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.«
    (Genesis 1,2.7)

Soweit die Ausführungen von Jacob Neusser über das jüdische Verständnis der Nachahmung.

Wenn das Befolgen der Gebote der Thora, zusammengefasst im jüdisch / christlichen Liebesgebot, der Nachahmung Gottes entspricht, dann stellt die Nachfolge Jesu einen darauffolgenden Schritt dar – Nachahmung und Nachfolge sind NICHT dasselbe:

    Es kam ein Mann zu Jesus und fragte: Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Er antwortete: Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist «der Gute». Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote! Darauf fragte er ihn: Welche? Jesus antwortete: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen; ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Der junge Mann erwiderte ihm: Alle diese Gebote habe ich befolgt. Was fehlt mir jetzt noch? Jesus antwortete ihm: Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.
    (Mat 19,16-21)

Jeder Getaufte ist durch die Begabung mit dem Geist und durch die empfangenen Verheißungen eines neuen Lebens dazu berufen und verpflichtet, in seinem Leben Gott nachzuahmen, ein Leben getragen von Glaube, Hoffnung und Liebe zu führen, und darin und dadurch das Wesen Gottes in dieser Welt zu bezeugen. In diesen Liebeswerken erfüllen wir die göttlichen Gebote, wir ahmen Gott, und damit natürlich auch Christus, nach.

Was aber ist dann die Nachfolge? Christus selbst hat in seinem Leben Gott nicht nur nachgeahmt, sondern ist selbst zu einem Wegbereiter, einem Überwinder dieser Welt, des Todes und des Bösen geworden und hat darin dem Kommen des Gottesreiches in besonderer Weise gedient. Er hat sich in Treue und Hingabe in den Dienst für seine Mitmenschen gestellt und für andere einen vollkommenen und ewig gültigen Sieg errungen. Der Schritt über die Nachahmung hinaus bedeutet, sein Leben Christus (und damit auch den anderen) zu weihen  – vollkommener zu werden (in Hingabe, Liebe und Barmherzigkeit) und der Vollkommenheit, der Wiederherstellung aller Dinge – der Vollendung zu dienen. Nachfolger sein heißt daher auch, das Wohl der anderen höher zu werten als das eigene.

Jesus hat diesen Schritt mit der Taufe am Jordan durch Johannes getan. Mit dieser Handlung beginnt das öffentliche Wirken Jesu, und ist damit mit dem Übergang von der Nachahmung zur Nachfolge verbunden. Um in diese Nachfolge treten zu können, hat Jesus, der ja zweifellos bereits mit dem Heiligen Geist begabt war, eine weitere Salbung des Heiligen Geistes erhalten, welche ihn befähigte, diesen Weg zu gehen. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass die Taufe Jesu durch Johannes kein Vorbild der christlichen Taufe ist, was oftmals so angenommen und geglaubt wird, sondern ein Vorbild für die bewusste Entscheidung, in die Nachfolge Jesu zu treten – es ist eine Lebensweihe.

Einen umfassenderen Auszug aus dem Buch
von Jacob Neusser finden Sie hier

 

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