Jesus und sein Reich

Nachdem Jesus den verstorbenen Lazarus wieder lebendig gemacht hatte, kamen der hohe Rat und die Pharisäer überein, Jesus zu töten (Joh 11,46-53). Sie nahmen ihn gefangen und überlieferten ihn der römischen Besatzungsmacht, da sie selber das Todesurteil nicht vollstrecken durften. Bei seinem Prozess vor den Römern hat Jesus etwas sehr Grundlegendes darüber gesagt, wie sein Reich zu verstehen ist:

    Pilatus ging wieder in das Prätorium hinein, ließ Jesus rufen und fragte ihn: Bist du der König der Juden? 34 Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt? 35 Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan? 36 Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier. 37 Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
    (Joh 18,33-37)

In einer Situation, als es für Jesus um Leben und Tod gegangen ist, hat er zwei unmissverständliche Aussagen gemacht:

  • Sein Königtum ist nicht von dieser Welt, und deshalb kann und darf nicht versucht werden, sein Reich mit politischen Mitteln oder Anwendung von Gewalt herbeizuführen.
  • Er kam in diese Welt, um Zeugnis abzulegen für die Wahrheit – um dieses Zeugnisses willen wurde er getötet, und er ließ es mit sich geschehen.

Schon zuvor haben die Pharisäer und andere versucht, Jesus in eine (politische) Falle zu locken:

    Sie kamen zu ihm und sagten: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und dabei auf niemand Rücksicht nimmst; denn du siehst nicht auf die Person, sondern lehrst wirklich den Weg Gottes. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen? 15 Er aber durchschaute ihre Heuchelei und sagte zu ihnen: Warum stellt ihr mir eine Falle? Bringt mir einen Denar, ich will ihn sehen. 16 Man brachte ihm einen. Da fragte er sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten ihm: Des Kaisers. 17 Da sagte Jesus zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! Und sie waren sehr erstaunt über ihn.
    (Mar 12,14-17)

Wichtig ist dabei zu wissen, dass Jesus zu einer Zeit lebte, die politisch sehr brisant war. Israel war von den Römern besetzt, es gab immer wieder kleinere Aufstände gegen die Besatzungsmacht und auch immer wieder Menschen, die für sich in Anspruch nahmen, einen göttlichen Auftrag zu haben, Israel zu befreien und haben dabei auch Gewalt angewendet. Die Frage nach den Steuern war also auch eine politische Frage. Widerstand oder Kritik an der Obrigkeit war damals sehr gefährlich, die Enthauptung von Johannes dem Täufer ist ein Beispiel hierfür (Luk 3,19.20).

Aber auch sonst ließ sich Jesus nicht in die menschlichen Streitereien hineinziehen:

    Einer aus der Volksmenge bat Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen. 14 Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Schlichter bei euch gemacht? 15 Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier. Denn der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss lebt.
    (Luk 12,13-15)

Jesus hat sich nicht in diese weltlichen Belange hineinziehen lassen, sondern das ausgesprochen, was auf menschlicher Ebene hinter diesem Erbschaftsstreit gestanden hat: Habgier. Jesus hat sehr viel davon gesprochen, was das Menschsein und das menschliche Zusammenleben betrifft, er hat von Gnade und Vergebung gesprochen, von dem 'Nicht-Richten', er hat mit Sündern gegessen und getrunken, er hat das Reich der Himmel verkündet, das Liebesgebot in den Mittelpunkt gestellt usw. Aber er hat daraus kein politisches Programm gemacht. Ihm ging es um eine Änderung der Gesinnung.

Das Johannesevangelium berichtet vom Wunder der Brotvermehrung, als Jesus mit den fünf Broten und zwei Fischen eines Knaben eine Menge von ungefähr 5000 Männern speiste und zwölf Körbe übrig geblieben sind.

    Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll. 15 Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein
    (Joh 6,14.15)

Jesus entzog sich dem Zugriff der Menschen, welche einen politischen König wollten und erwarteten. Jesus war aber nicht gekommen, um mit politischen Mitteln auf einer politischen Ebene zu wirken. Dies wird auch deutlich, als er in Jerusalem einzog und wie ein König begrüßt wurde (Luk 19,38). Er hat keine politischen Aussagen oder Aktionen gemacht, sondern ist in den jüdischen Tempel gegangen und hat die Missstände dort angeprangert. Die politische Auseinandersetzung mit den weltlichen Obrigkeiten hat er gar nicht gesucht oder gewollt, sondern die geistliche Auseinandersetzung mit den religiösen Lehren und Vorstellungen des Judentums zu dieser Zeit. Die Evangelien berichten uns häufig, wie heftig diese Streitgespräche waren.

 

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