War der Tod von Jesus ein Menschenopfer?

Das Opfern von Menschen war unter vielen Völkern zum Teil bis in jüngste Zeiten hinein verbreitet, und zwar meist aus den bereits erwähnten Gründen für die rituellen 'Werte-Opfer'. Die geopferten Menschen waren entweder dazu ausersehen, teilweise von Geburt an, oder wurden dafür entführt oder in teils kriegsartigen Überfällen bei anderen Stämmen oder Völkern geraubt. Die Opferung selber konnte an verschiedenen Orten stattfinden, oftmals jedoch an den Stätten / Altären, welche der Gottheit(en) gewidmet waren. Allen Beteiligten war dabei klar, wozu diesen Handlung stattfand, und das Ritual, in welchem der oder die Menschen geopfert wurden, brachte auch den Sinn des Opfers zum Ausdruck.

Wenn wir uns also die Frage stellen, ob die Kreuzigung Jesu ein von Gott gefordertes Menschenopfer war, müssen wir wissen, warum und wie Jesus getötet wurde.

Zu Lebzeiten von Jesus war Israel ein von den Römern besetztes Land. Die Römer ließen in den von ihnen eroberten Ländern die Ausübung der dort vorhandenen Religionen zu, solange ihre Herrschaft dadurch nicht in Frage gestellt wurde. Das römische Reich brauchte viel Geld um die Kriege, die Oberschichten und Prestige-Bauwerke finanzieren zu können. Diese erforderlichen Mittel wurden aus den eroberten Völkern gepresst mit Steuern, Abgaben und Versklavungen, und so war es auch in Israel. Auch während der Lebzeit von Jesus hatte es mehrere kleine Aufstände gegen die Römer gegeben, welche blutig niedergeschlagen wurden. Dies geht auch aus dem Evangelium nach Markus hervor:

    Jeweils zum Fest ließ Pilatus einen Gefangenen frei, den sie sich ausbitten durften. Damals saß gerade ein Mann namens Barabbas im Gefängnis, zusammen mit anderen Aufrührern, die bei einem Aufstand einen Mord begangen hatten.
    (Mar 15,6.7)

Viele Jahre nach der Kreuzigung von Jesus, im Jahr 70 n. Chr., endete ein großer jüdischer Aufstand mit der Eroberung und Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Römer, nach dem Bar Kochba Aufstand von 132 – 135 n. Chr. wurde es Juden verboten, in Jerusalem und Umgebung zu leben. Diese Ereignisse zeigen, wie angespannt die Situation damals in Israel war. Die Juden sehnten sich nach einem Erlöser, dem verheißenen Messias, welcher sie aus dem Joch der Römer befreien und Israels Eigenständigkeit wieder herstellen sollte. Die Kreuzigung war die von den Römern praktizierte Strafe für Aufständische.

Als Jesus eine Woche vor dem Passahfest in Jerusalem einzog, wurde er mit den Rufen: „Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!“ (Joh 12,13) begrüßt. Hos(i)anna kann man wörtlich mit 'Hilf doch' oder 'Errette doch' übersetzen, zum Teil wurde es zur damaligen Zeit auch als Jubelruf verwendet. Für die Römer waren diese Rufe eine klare Ansage: Hier kommt jemand, der unseres Herrschaft gefährdet!

Unter den Juden gab es zu dieser Zeit unterschiedliche Gruppierungen und auch Meinungen, wie die Thora zu verstehen und im Leben umzusetzen sei, auch wenn sich die Juden in ihrem Kult- und Grundverständnis weitgehend einig waren. Die bekanntesten Gruppen aus dem Neuen Testament sind die Pharisäer und die Sadduzäer, von den Essenern wird im Neuen Testament zumindest offensichtlich nichts berichtet. Jesus zog mit seinen Lehren und mit seinem Handeln den Zorn dieser beiden Parteien auf sich, obwohl er auch freundschaftliche Kontakte hatte. Den Sadduzäern, welche die Hoheit und Verwaltung des Tempeldienstes unter sich hatten, warf Jesus vor, aus dem Haus Gottes eine Räuberhöhle gemacht zu haben, und den Pharisäern warf er unter anderem vor, den Menschen unerträgliche Lasten aufzuerlegen, welche sie selbst nicht zu tragen bereit waren. Mehrmals wird uns im Neuen Testament davon berichtet, dass einige Juden sich den Tod von Jesus wünschten.

Jesus wurde sicherlich von einigen, wenn nicht gar der Mehrheit der führenden Sadduzäer und Pharisäer, als eine Gefahr für ihre eigenen religiösen und/oder politischen Überzeugungen angesehen. Aber auch die Gefahr eines durch Jesus verursachten Aufstandes und dessen Folgen war allgegenwärtig:

    Da beriefen die Hohenpriester und die Pharisäer eine Versammlung des Hohen Rates ein. Sie sagten: Was sollen wir tun? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige Stätte und das Volk nehmen. Einer von ihnen, Kajaphas, der Hohepriester jenes Jahres, sagte zu ihnen: Ihr versteht überhaupt nichts. Ihr bedenkt nicht, daß es besser für euch ist, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht. Das sagte er nicht aus sich selbst; sondern weil er der Hohepriester jenes Jahres war, sagte er aus prophetischer Eingebung, daß Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln. Von diesem Tag an waren sie entschlossen, ihn zu töten.
    (Joh 11,47-53)

Vor diesem Hintergrund spielt sich das Drama um seinen Prozess und Hinrichtung ab: Die Angst der Juden vor einem Aufstand und die unbequemen Lehren von Jesus, sowie die Römer, welche mit allen Mitteln ihre Herrschaft erhalten wollten.

Heutzutage würde man das einen Schauprozess nennen, wie sie immer wieder in verschiedenen Ländern stattfinden, um unbequeme Menschen und mit ihnen auch deren Ansichten zu beseitigen.

Der Tod von Jesus war jedenfalls kein von Gott verlangtes, rituelles Menschenopfer, wie es unter anderen Völkern praktiziert wurde, und zwar aus 2 Gründen:

  1. Der Tod von Jesus wurde weder von den Römern, noch den Pharisäern und Sadduzäern, und auch nicht vom jüdischen Volk als ein Menschenopfer an Gott betrachtet oder verstanden. Die einzige Aussage, welche man in diesem Sinne verstehen könnte, stammt vom Hohenpriester (Joh 11,50), geschah aber aus Furcht vor den Folgen eines Aufstandes, obwohl sie einen prophetischen Gehalt hatte, wie auch die Schrift bezeugt.
     
  2. Die Tötung von Jesus geschah nicht im Tempel, an dem Gott geweihten Ort, und es gab auch kein Darbringungs- (Opfer-)ritual, sondern es war die Hinrichtung eines Aufständischen außerhalb der Stadt. Ein zu dieser Zeit in Judäa leider häufiges Ereignis.

Die in der Thora gegebene, kultische (Opfer-) Ordnung unterscheidet sich von den heidnischen Kulten insbesondere auch dadurch, dass den Israeliten das Opfern von Menschen ausdrücklich verboten war. Auch vor diesem Hintergrund wird klar, dass der Opfertod von Jesus auf keinen Fall mit einem heidnischen Menschenopfer gleichgesetzt werden darf. Jesus starb um seines Zeugnisses willen, er wurde verurteilt und hingerichtet wie ein Verbrecher oder Aufständischer. Dieser ungerechten Verurteilung hat er sich nicht entzogen, sondern sein Leben gegeben, um es nach seinem Tod wieder an sich zu nehmen und dadurch den Weg des Heils zu eröffnen.

 

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