Der Sinn der Tieropfer

Die alttestamentliche Anordnung Gottes, dass IHM Tiere geopfert werden müssen, stößt heutzutage auf großes Unverständnis. Das liegt vor allem daran, dass wir dabei immer noch an 'Werteopfer' denken! Und hat man allein die Texte der Thora vor Augen, in welchen diese Opfer angeordnet und beschrieben werden, liegt die Versuchung nahe, diese Opferungen im Sinne einer Werteopferung zu verstehen, zumal im Text auch davon die Rede ist, dass diese Opferungen für Gott ein beruhigender Duft sind. Die Bibel erscheint hier widersprüchlich, denn zum einen werden z.B. die täglichen Opferungen als bleibende Ordnung festgelegt:

    Folgendes sollst du auf dem Altar darbringen: Tagtäglich und ständig zwei männliche einjährige Lämmer.
    (Exo 29,38)

Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass Gott keine Tiere essen oder ihr Blut trinken will:

    Soll ich denn das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken? 14 Bring Gott als Opfer dein Lob, und erfülle dem Höchsten deine Gelübde!
    (Psalm 50,13.14)

Wenn die dargebrachten Tiere keine 'Werteopfer' sind, worin liegt dann der Sinn dieser Ordnung? Man kann ja mal versuchen, auch wenn wir in einer ganz anderen Zeit und Kultur leben, sich in die Situation der Israeliten und ihrer Priester hineinzuversetzen. Welche Fragen haben sich die Israeliten gestellt, als Gott ihnen diese Ordnung auferlegte, um sich IHM 'nahen' zu können? Diese Ordnung weist darauf hin,

  • dass dem Menschen insgesamt etwas fehlt, dass er nicht heil bzw. ganz ist,
  • dass etwas durchbrochen oder durchtrennt werden muss (Schächtung),
  • dass das Leben (Blut) durch Mittler (=priesterliches Amt) zum Altar (Gottes Gegenwart im Feuer) gebracht werden muss,
  • dass das Verborgene bloßgelegt und gereinigt werden muss (Zerlegung der Tiere und Waschung der Teile),
  • dass das Gott Dargebrachte rein und fehlerlos sein muss.

Der Sinn dieser Opfer bestand also darin, dass der Mensch über den Sinn dieser Ordnung nachdachte und sich dadurch eine dementsprechende Herzenshaltung einstellte. An mehreren Stellen des Alten Testamentes wirft Gott seinem Volk vor, dass die vollzogenen Opferhandlungen (=Nahungen) nicht mit der Haltung des Herzens und der gelebten Wirklichkeit übereinstimmen:

    Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. 22 Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. 23 Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, 24 sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
    (Amos 5,21-24)

Auch im Gespräch zwischen Jesus und den Schriftgelehrten wird dieses Thema aufgegriffen.

    Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm, 33 und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.
    (Mar 12,32.33)

Und in Psalm 51 wird deutlich, dass die richtige innere Haltung und der äußere Vollzug des Opfers (=Nahung) zusammengehören und eine Einheit bilden:

    Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie dir geben; an Brandopfern hast du kein Gefallen. 19 Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen. 20 In deiner Huld tu Gutes an Zion; bau die Mauern Jerusalems wieder auf! 21 Dann hast du Freude an rechten Opfern, an Brandopfern und Ganzopfern, dann opfert man Stiere auf deinem Altar.
    (Psalm 51,18-21)

Die Opferordnung der Israeliten unterschied sich in einigen wesentlichen Punkten von den heidnischen Opferriten der Israel umgebenden Völker, welche ihren Gottheiten auch Tiere opferten, und es war den Israeliten streng verboten, deren Götter zu opfern oder den ihnen verordneten Kult an die heidnischen Kulte anzupassen. Im Gegensatz zu den Heiden galt für die Israeliten unter anderem:

  • Verbot des Blutgenusses,
  • Verbot von Menschenopfern,
  • Verbot der Wahrsagerei aus den Eingeweiden,
  • Verbot von Ekstase oder Rauschmitteln
  • Verbot von kultisch-sexueller Vereinigung (Tempelprostitution)

Die heidnische Vorstellung des ‘Werte-Opfers’ durfte auf keinen Fall mit dem israelitischen Opferverständnis (Opfer als Weg - Nahung) verwechselt oder vermischt werden. Die Abgrenzung und Auseinandersetzung mit den (Opfer-) Kulten der Israel umgebenden Völker ist ein beständiges Thema nicht nur in der Geschichte Israels, sondern auch innerhalb des Christentums.

 

weiter lesen

nach oben

 

Linie1 5x800b

Opfer und Opferverständnis

 

War der Tod von Jesus ein Menschenopfer?

 

Jesus - der Weg

 

Jesus - das wahre Passahlamm

 

Der Sinn der Tieropfer

 

Das vollkommene Opfer